H.v.C – Ihr privates Leben

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Meine Mutter war von ganzem Herzen eine Hannoveranerin. Sie wurde hier 1908 geboren, sie wuchs in der Alleestraße auf , kam später auch immer wieder hierher zurück…Hier wuchs sie mit ihren Schwester auf .

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Im Alter entdeckte sie noch München, wo ich lebe. In Schwabing erinnert sich mancher an die reizende Dame im Rollstuhl, die mit Block und Stift Skizzen machte, plauderte und scherzte. Im Garten des Wohnhauses scharten sich Kinder um sie und zeichneten eifrig mit. Nun ruht sie in Hannover im Familiengrab an der Strangriede .

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Ihre Eltern : Professor Eugen Michel stammt aus der bayrischen Pfalz. Er war ein Pionier der Akustik-Forschung und stellte sie auf eine wissenschaftliche Grundlage, damals zur Fachrichtung Architektur gehörend.

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Meine Großmutter Käthe Becher stammt aus einer bekannten Berliner Arztfamilie und profilierte sich als Künstlerin, sie malte und dichtete. Ihre Theaterstücke wurden unter dem Pseudonym Hans Erdmann in verschiedenen Städten aufgeführt. In der Malerei konzentrierte sie sich auf das Kopieren von Bildern.

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Mit ihrem Können und Charme holte sie sich von Adolf von Menzel persönlich die Erlaubnis, seine Bilder kopieren zu dürfen. In unserer Familie hängt noch das „Flötenkonzert“ mit Friedrich dem Großen.

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Von der Mutter stammt auch das Jugendbild meiner Mutter.

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Später war sie die Großmutter, die ihren 9 Enkelkinder Max und Moritz von Wilhelm Busch vorlas und mit ihnen  Karten spielte.

 

 

Im Sommer fuhr die ganze Familie mit 4 Töchtern und Kindermädchen ins Familiensommerhaus in Neuendorf auf die Insel Wollin an der Ostsee an den geliebten schönen weißen Strand.

 

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Dort las man Bücher, stickte, malte und dichtete. Mit den Nachbarskindern und den Verwandten und Freunden aus Berlin vergingen die 6 Wochen wie im Fluge.

Die Marinesoldaten kamen zu Besuch, und am Strand wurden Shanties gesungen.

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Auf der Steinbank im Garten in Hannover : die erste Zigarette …. und damit auch die letzte, es fing an zu schmecken….das war ihr zu gefährlich

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Während ihrer Studienzeit machte meine Mutter den Motoradführerschein und konnte die Polizei davon überzeugen, daß die Landstraße zu gefährlich ist und sie darum eine Pistole braucht .

22.jpgMit den Kommilitonen fuhr sie im Winter zum Skifahren und Bergwandern in die Alpen und in die Kapaten,  in den Semestern erkundete sie die Seen Berlins mit ihrem geliebten Faltboot.

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Sie begann  mit Degenfechten. Hier spielt sie den Studenten einer schlagenden Verbindung.

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Die junge Hildegund begann sehr früh mit 16 Jahren ihr Studium 1924 in Hannover bei Burger-Mühlfelder und Dröge und setzte die Ausbildung in Berlin an den „Vereinigten Staatsschulen“ bei Prof. Emil Orlik und Fischer fort. Eine Zeit lang wurde sie auch von Prof. Schmidt-Rottluff unterrichtet. Ihre Neigung zur Wandmalerei führt sie ins Atelier Bloch – Kerschbaumer, Mitglied des Brückekreis.

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Selbst aus dem Exil behielt Emil Bloch den persönlichen Kontakt mit ihr und später auch seine Frau. Unter ihren Lehrern ist wohl Prof. Schmidt-Rottluff heute am bekanntesten, und sie stand noch lange nach dem Ende ihrer Ausbildung im Briefkontakt mit ihm.

1   Nach dem Studium begann meine Mutter ihre selbständige Tätigkeit an der Universität Münster für Prof. Lehmann – Hartleben, für den sie in Pompeji wissenschaftliche Zeichnungen für sein Buch über archäologische Forschungen anfertigte.

Er erhielt 1929 eine Professur für Klassische Archäologie an der Universität Münster. Dort wurde er im April 1933 als Jude  entlassen, als er sich gerade zu einer Grabung in Pompeji aufhielt. Über  Italien emigrierte er 1935 weiter in die USA, wo er Professor am Institude of fine Arts der New York University wurde.

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Dann Studien in Paris. 

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Danach folgten Aufträge in Wandgestaltung in und an öffentlichen Gebäuden, an Privathäusern und in Schlössern in ganz Deutschland.

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Der letzte Auftrag meiner Mutter vor Kriegsende war ein großes Wandbild im Hauptpostamt in Königsberg.

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1942 traf sie meinen Vater in Berlin, beruflich wurde er als Flugzeugingenieur nach Prag verlegt, wo sie 1943 heirateten und ich dann ein Jahr später zur Welt kam.

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Die Familie meines Vaters

Mein Vater Dieter v. Cosel, Sohn von General Wilhelm v.Cosel, der als junger Hauptmann in China bei den Boxeraufständen eingesetzt war, und seiner Ehefrau Elsa geb. von Dithfurt vom Rittergut Dankersen, die in Erfurth in ihrem Haus als Sängerin einen musikalischen Salon führte.

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Aus dieser Zeit behielten wir einen guten Freund den bekannten Schauspieler Albert Johannes, der in Erfurth am Theater sehr beliebt war. 1970 lernte ich ihn dann in Hamburg kennen, wo er in seinen letzten Jahren mit seiner zweiten Frau lebte.

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Getauft wurde ich in Neuendorf im Familiensommerhaus. Dies war die letzte große Feier, zu der die ganze Familie zusammen gekommen war, bevor das Haus durch das Kriegsende an die Polen fiel. Heute wohnen dort alte alleinstehende Leute.

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Meine Mutter begann über mein Leben zu schreiben und zu zeichnen. So entstanden zwei Kinderbücher über diese Zeit mit der Flucht über Österreich bis ins ausgebombte Hannover.

 

 

 

 

 

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Nach der Flucht aus Prag landete die kleine Familie wieder in Mutters Elternhaus.  Das Haus, von einer Bombe getroffen, war halb abgebrannt. Es war abenteuerlich und spannend für ein Kind hier zu spielen und aufzuwachsen.

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In der ersten Zeit zeichnete sie für Eier und Milch Bauernkinder in Marklendorf in der Heide, in dessen Dorfschule ihre Berliner Freundin Inge Koch Lehrerin war.

 

35 (2)             In Hannover erneuerte sie die Kontakte zu Architekten, Ministerien und Behörden. Die Wandbilder machten sie bekannt, denn ihre Gestaltungen zeigen vielseitige Techniken herkömmlicher und moderner Art. Bei einem Auftrag für einen großen Wandteppich für den Aufenthaltsraum der Heeresoffiziersschule führte die renomierte Weberin Müller – Vogler die Vorlage meiner Mutter aus.

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Meine Mutter übernahm auch die Innenausstattungen von Kirchen im Wendland und malte in Schulen Wandbilder .

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Diskusion mit Kollegen auf dem Flohmarkt am Leineufer

 

 

 

 

Sie erteilte in der Volkshochschule Zeichenunterricht. Außerdem gab sie Privatstunden in ihrem Atelier. Beim figürlichen Zeichnen mußte auch mal der Ehemann Modell sitzen.

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Im Sommer ging es in den Georgengarten. In Hannover lebt noch eine Schülerin,  die anschließend Kunst studierte und jetzt selbst ein Kunstatelier hat.

Jedes Jahr gab es eine neue Weihnachtskarte für alle Freunde, gezeichnet oder als Holzdruck.

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Mein Vater bekam ein aktuelles Bild von seiner Tochter. Das machte viel Arbeit, denn ich saß nur still, wenn meine Mutter mir ein Märchen erzählte, im Augenblick erdacht, und natürlich mit Fortsetzung für die nächste Sitzung.

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39 (5).jpgIhre Liebe war die Geige, bei der Ausbildung entschied sie sich doch für die Malerei, so konnten wir als Duo spielen.

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Ein wichtiger Freund der Familie war Pastor Klaus Sander aus der Kreuzkirche in Hannover. Als Studentenpfarrer war er allgemein sehr beliebt. Früher hat er die deutsche evangelische Kirche in Rom vertreten. Er konnte sehr spannend erzählen. Mit meiner Mutter diskutierte er viel über die Geschichten der Bibel und deren Auslegung , was ihr bei den Bibelbildern half.

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Er war unter seinen weiblichen Gemeindemitgliedern sehr beliebt, sie kamen zu jeden Vortrag.

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Ihr grüner Daumen zeigte sich an der jährlichen großen Kaktusblüte und den Amarillis. Die grünen Bohnen wuchsen bis in die erste Etage bevor sie geerntet wurden. Meine Mutter und ich haben aus dem Hof einen grünen Garten gemacht. Die verblüten Pflanzen der Nachbarn fanden ein neues Heim.

 

 

Ich wollte so gerne ein Selbstportrait von meiner Mutter.  Ich dachte an ein Bild, „wie so üblich“, es kamen dann aber diese Karrikaturen dabei heraus, denn vor dem Spiegel fühlte sie sich sehr albern. Das  gab sie wieder in der Serie „..das bin i…“

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Sie zeichnete für Zeitschriften, darunter „Mercedes“, „Europäische Begegnung“, „Fahrradzeitschrift“ und die „Hannoversche Allgemeine“. Frau Dr. Weidemann schrieb in einem Artikel im „Oldies“ Magzin : Eindrucksvoll ist immer wieder die breite Palette des Schaffens.

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Im Mittelpunkt ihres Schaffens steht zweifellos der graphische Bilderzyklus „Der Mensch und sein Tod“, der in den Jahren 1945 bis 1970 entstand, noch unter den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges und den späteren Katastrophen, menschlichen Schwächen und Schicksalsschlägen vieler Jahre, die uns heute die Massenmedien miterleben lassen. Woher kommen wir und wohin gehen wir.

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Die ersten Skizzen dazu entstanden Anfang der 50er Jahre. Die Großentwürfe hingen im Atelier an der Wand wo ich schlief. So wuchs ich unvoreingenommen mit dem Totentanz auf.

46(5).jpg1971 wurde der Zyklus der Öffentlichkeit in Hannover vorgestellt und danach in mehreren anderen Städten.

 

An ihrem 80. Geburtstag wurde in der Gedok eine große und erfolgreiche Ausstellung eröffnet.

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Beim Aufbau der Ausstellung in der Christuskirche 10 Jahre später hilft sie und steigt noch mit 90 Jahren auf die Leiter.

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Aus den Pressestimmen : Mit Intelligenz und großem Mut sind die Blätter des Zyklus meisterhaft gestaltet. Es ist Courage in diesem Werk ! Realistisch, aber nicht polemisch wird dem Kunstfreund die Ausstellung zum Erlebnis.

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Der Kunstpägagoge und Bauhausshüler Creutzfeldt formulierte wie folgt: „Selten sieht man ein so geschlossenes Werk wie dies hier, das von derart tiefem Empfinden und Erkennen getragen wird“.

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Ihre Passion zum Reisen bringt sie durch ganz Europa, von Island, Italien, Griechenland, Provence, Spanien bis nach Ägypten, Israel, Rußland und in die Türkei, stets mit dem Zeichenblock, um die Welt und ihre Bewohner zeichnerisch festzuhalten, Ernsthaftes und Kurioses..

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Vor dem Krieg fuhr sie als junge Frau auf einem Schiff nach Südamerika, und im Alter von 80 Jahren flog sie noch nach Nordamerika. – wohlbemerkt wir beide allein mit Auto und Flug durch das Land. Mit 88 schloß sie sich einer kunsthistorischen Bustour quer über Sizilien an.

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Bis ins Alter spürte sie das Fernweh, wenn sie Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel verfolgte.

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Frau Dr. Heidi Weidemann hat diesen Artikel über meine Mutter geschrieben

45Aus den Erfahrungen als Radfahrerin im Stadtverkehr Hannovers entstand die Fahrradserie.

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Es.entstanden weitere  Serien:  Familienserie

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Radierungen : die Jahreszeiten

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Batik – nach Original – Masken

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„Der Mensch und sein Tod“

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Für die Taufkapelle der Lutherkirche malte sie das Bild „Lasset die Kindlein zu mir kommen“. Und 50 Jahre später verabschiedete hier Pastor Sander mit einer Trauerfeier Hildegund v.Cosel-Michel.

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